Anatomie der Katze: Die Welt «erfassen» Teil 2

Felidae bewegen sich zwar in der gleichen Welt wie wir, befinden sich aber dennoch in einem ganz eigenen Universum. In dieser Serie beschäftigen wir uns mit der Anatomie der Katze, um zu verstehen, was sie zu ihren erstaunlichen Leistungen befähigt. Im zweiten Teil geht es um den Tastsinn und das Gleichgewicht.

Text: Stefan Siegmann

Katzen können mithilfe ihrer Sinne Dinge in der Umgebung ausmachen, die wir nicht einmal bemerken. Damit versetzen sie uns oft genug in Staunen. Unsere Interpretation der Welt erschwert es uns nachhaltig zu erkennen, wie andere Wesen ihre Umgebung erfahren. Deshalb müssen wir zuerst unsere eigene Wahrnehmung verstehen.

Hier ein kurzes Beispiel: Die Zeit ist, wie Einstein richtig erkannte, als physikalische Grösse nicht separat sowie statisch und gleichmässig fortlaufend. Gebunden an den Raum verhält sie sich flexibel und immer relativ zur Geschwindigkeit. Im Rahmen menschlicher Bezugssysteme scheint sich die Zeit dennoch weitgehend gleichförmig zu verhalten, jedoch nur so lange, wie das Bezugssystem gleich bleibt. Für einen Menschen, der im Flugzeug sitzt, vergeht die Zeit objektiv messbar langsamer (wenn auch nur minimal) als für jene, die am Boden bleiben. Die Differenz, die hier entsteht, liegt jedoch deutlich unterhalb dessen, was für einen Menschen wahrnehmbar ist.

Man missversteht gerne die Erkenntnis über die Relativität der Zeit mit dem Faktum, dass unsere Wahrnehmung in Tat und Wahrheit subjektiv, emotional eingefärbt und ereignisbezogen ist. Aussagen über die Zeit verschwimmen in dieser Verwechslung. Wenn wir meinen, dass eine Stunde – zäh wie Kaugummi – nicht zu Ende gehen wollte oder aber, kaum begonnen, viel zu schnell verflog, so ist dies nicht der tatsächlichen physikalischen Relativität der Zeit geschuldet, sondern Ausdruck unserer eigenen subjektiven Konstruktion der Realität. Diese macht es nicht nur schwerer, dass sich Menschen untereinander richtig verstehen, sondern sorgt vor allem dafür, dass wir uns nur schwer in die Lebenswirklichkeit anderer Wesen hineinversetzen können. Beherzigen wir also die Worte «Sapere aude» (Wage es, weise zu sein) und haben den Mut, uns unseres Verstandes zu bedienen, um die Welt der Katzen verstehen zu lernen.

Die Welt ertasten

Das Tastgefühl ist einer der ältesten Sinne, den die Natur kennt. Jede einfache biologische Struktur kann mit vergleichsweise geringem Aufwand ein Sensorium aufbauen, das Berührungsempfindung zulässt. Dieser mithin älteste Sinn überhaupt ist so tief in unserem Denken verwurzelt, dass wir ihn sehr oft in der Sprache wiederfinden, beispielsweise wenn wir etwas «begreifen» oder etwas unser Innerstes «berührt» und es sich für uns richtig «anfühlt» oder wir es nicht «fassen» können, wir etwas als «abstossend» empfinden. Erst das Erfühlen der Welt ermöglicht es unserem Verstand, diese als real zu erkennen. Im Ertasten
der Umwelt erhalten wir mittels entsprechendem Feedback auch wesentliche Informationen über uns selbst. Wie fühlt sich das Heft an, das ich halte? Wie fühlt sich die Hand an, die das Heft hält? Wie fühle ich mich, der die Hand hält, die das Heft hält?

Lesen Sie den ganzen Artikel von Stefan Siegmann im Katzen Magazin 4/2015.

geschrieben von:
Stephenie Siegmann

Stephenie Siegmann

Ein weiterer Fan der Feloidea, Stephenie Siegmann, teilt ihre Behausung, treu ergeben, mit mehreren Exemplaren der Gattung Felis silvestris catus. Als Autodidaktin mit grossem Wissensdurst ausgestattet, beschäftigt sie sich unter anderem mit den wissenschaftlichen Hintergründen dieser geheimnisvollen Spezies. Von einer Metaebene ausgehend, hinterfragt sie kritisch jene bequemen Konstruktionen, aus denen wir uns die sogenannte «Realität» erschaffen.

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