«Ohne mich hat sich Dancer ins Fell gemacht»

Zwei Besitzer wollten Dancer einschläfern lassen, weil er unsauber war. Heute lebt der 13-jährige Siamkater in Erlinsbach (AG) – und ist sauber. Monika Wehrli erzählt, was zum Erfolg geführt hat.

Dancer hat schon drei Besitzer zur Weissglut getrieben, weil er immer wieder unrein wurde. Zweimal hätte er eingeschläfert werden sollen. Eine gesunde Katze einschläfern! Das wollte ich verhindern. Ich habe Dancer von einer Kollegin. Sie hat immer alle Katzen gerettet, auch Dancer. Aber nach einer Weile hat er auch bei ihr reingemacht. Als sie einen Monat in die Ferien ging, habe ich nach ihren Katzen geschaut, vor allem wegen Dancer. In dieser Zeit hat er nie reingemacht. Als seine damalige Besitzerin zurückkam, konnte sie es kaum glauben. Sie hat mir ihr Leid geklagt, und da konnte ich natürlich nicht mehr Nein sagen. So ist Dancer 2009 zu mir gekommen. Es fühlt sich an, als wären wir schon ewig zusammen. Zwischen uns herrscht ein extrem tiefes Vertrauen.

Dancer war damals schon fünf Jahre alt. Eine Hauskatze. Ich finde, Katzen sollen auch draussen sein, also habe ich ihn nach draussen gesetzt. Aber er war völlig überfordert. Wasser, Schnee, Matsch! Bis heute sind ihm nasses Gras und unebene Untergründe nicht ganz geheuer. Ich habe ihm auch gezeigt, wie man auf Bäume klettert. Aber das funktioniert nicht so richtig – immer wieder muss ich ihn mit der Leiter herunterholen. Auch Jagen ist nicht sein Ding. Aber ab und zu bringt er mir eine Fledermaus nach Hause, ein kleines Ding, das er mir in die Hand legt. Wenn sie dann auffliegt, erschrickt man und es ist oft ein Drama, bis die Fledermaus wieder draussen ist. Dancer tötet keine Tiere. Er nimmt sie anderen Katzen sogar weg und beschützt sie. Dancer ist sehr sensibel und sachte bei allem, was er tut. Sein Revier ist nicht gross, aber er geniesst es, an einem warmen Schattenplätzchen vor sich hin zu dösen.

Dancer hat auch einen Stammbaum. Er ist ein Siam in der Farbe Fawn Point und heisst offiziell Khiri Khan’s Last Dancer. Dancer, weil es beim Spielen aussah, als ob er tanzen würde. Er wäre fast gestorben, als er kastriert wurde. Dancer ist ein Kämpfer. Er ist sehr laut, typisch Siam, und muss immer das letzte Wort haben.

Nach einem halben Jahr hat Dancer auch bei mir plötzlich reingemacht. Ich hatte keine Ahnung, wieso. Auch der Tierarzt hat keinen Grund gefunden, körperlich war alles okay. Das ist eine Qual. Was tun? Man wird wütend auf die Katze, gleichzeitig tut sie einem leid. Ich habe es Dancer immer sofort angesehen, wenn etwas nicht gut war. Es war ihm nirgends recht, er weiss ja, dass er das nicht darf. Was also tun? Ihn ausschimpfen?

Schliesslich bin ich mit Dancer zu einer Tierpsychologin gefahren. Dort hat sich herausgestellt, dass er Verlustängste hat. Dancer ist nicht auf ein Revier fixiert, sondern auf den Menschen. Wenn seine Bezugsperson bei ihm ist, ist alles wunderbar. Wenn nicht, nicht. Meistens bin ich regelmässig nach Hause gekommen, aber wenn ich mal länger weg war, hat er sich vor Angst ins Fell gemacht.

Ich bin Logistikmanagerin und arbeite Teilzeit von zu Hause aus – das ist wunderbar für Dancer. Aber auch ich kann nicht immer da sein. Damit er abgelenkt ist, wenn ich weg bin, habe ich angefangen Katzenspielzeug und Futter in Fummelspielzeug zu verstecken. Das hat ziemlich schnell geholfen. Am Anfang gab ich ihm auch noch Beruhigungstabletten, aber die braucht er nicht mehr. Ich bastle ihm auch immer wieder neue Bettchen, die er untersuchen und in denen er Probe liegen kann. Sein Interesse daran flaut meist bald ab und ich verkaufe die Bettchen. Dancer ist Chef von «Damore Design». Jedes Bett wird von ihm Probe gelegen. Und wenn etwas nicht gut ist, reklamiert er lautstark und ich muss nachbessern, bis es schön weich ist.

Mein Partner und ich beschäftigen uns viel mit Dancer. Er liebt es, neue Kunststücke zu lernen, «High Five» zum Beispiel oder über ein Bein oder auf den Rücken springen. Dancer kommt auch gerne mit auf Spaziergänge. Er hat hier ja ein wunderbares Gebiet. Aber er streift nur herum, wenn ich dabei bin. Mittlerweile spazieren auch andere Katzen mit; die geniessen das auch.

Wenn wir Verwandte oder Freunde besuchen, nehmen wir Dancer manchmal mit. Er fährt gerne Auto – so eine Katze habe ich noch nie erlebt. Er geht sogar gerne zum Tierarzt. Leider ist das öfters nötig, denn Dancer ist etwas tollpatschig und hat immer wieder kleinere Unfälle. Letzthin hat er sich einen Eckzahn ausgeschlagen, keine Ahnung wie.

Wir können Dancer überall problemlos frei herumlaufen lassen. Er läuft nicht weg. Ich nehme ihn auch oft mit zu einer Freundin, die Tagesmutter ist. Dort arbeite ich und Dancer kann mit den Kindern spielen. So hat er Abwechslung. Und abends kommt er todmüde nach Hause. Wenn wir in die Ferien gehen, kommt er in die Tierpension hier im Dorf. Dort hat er Rundumbetreuung, das findet er toll. Er mag die Frau und auch mit den meisten anderen Katzen ist er sehr sozial. Er faucht sie nicht an. Revierkämpfe kennt er nicht. Und sie akzeptieren ihn. Zu Hause lässt er andere Katzen sogar in die Wohnung, was nicht immer in meinem Sinne ist.

2009 hat Dancer zum letzten Mal reingemacht. Mein Partner war im Militär und ich musste auch weg. 2010 sind wir hierhergezogen. Und hier hat Dancer nie mehr reingemacht. Dancer hat jetzt keine Angst mehr, sondern ein tiefes Vertrauen zu uns. Wenn er mal geht, wird er ein tiefes Loch hinterlassen.

Aufgezeichnet von: Andreas Krebs

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geschrieben von:
Andreas Krebs

Andreas Krebs

Bevor er laufen konnte, beobachtete Andreas Krebs vor allem Schnecken, Käfer und Ameisen. Bald faszinierten ihn auch schnellere Tiere wie Katzen und Hunde. Heute ist er Journalist und schreibt vor allem Reportagen und Porträts über Themen aus den Bereichen Umwelt und Gesellschaft. So will er dem Leser die Wechselwirkung Mensch-Natur-Mensch bewusst machen. Ausserdem schreibt Andreas Krebs Biografien.

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