Séverine Lambert, 32, lebt in einem alten «Wöschhüsli» in Horn TG. Die rund 60 Quadratmeter und den Garten teilt sie mit dem gehörlosen Dalmatiner Samuel, dem Border Collie Jamie und Sunny, einem Strassenhund aus Bulgarien. Zur Familie gehören ausserdem der Siamkater Bailys und die dreifarbige Mocca. Die Katzendame begleitet Hunde und Frauchen auf den Abendspaziergängen dem Bodensee entlang.
Aufgezeichnet von Andreas Krebs
Mocca begleitet uns seit vielen Jahren auf unseren allabendlichen Spaziergängen, egal ob es regnet, und im Winter auch, wenn es schneit. Wenn ich den Hunden die Leuchthalsbänder anziehe und sie anleine, steht Mocca schon vor der Tür und miaut, um zu zeigen, dass sie startklar ist. Ihr habe ich noch nie ein Leuchthalsbändeli angezogen. Ich weiss nicht, ob sie es anlassen würde. Und ich habe Bedenken, dass sie auf ihren Streifzügen irgendwo daran hängen bleibt.
Dann geht es los. Zuerst durchs Zentrum, am Bahnhof vorbei zur Schule und dort über die Strasse runter zum See. An der Bushaltestelle schauen alle komisch, wenn sie sehen, dass uns eine Katze folgt. Viele Horner kennen uns aber. Wenn ich mit den drei Hunden komme, fragen sie: «Wo ist die Katze?»
Mocca läuft meistens etwa drei Meter hinter uns her. Wenn uns jemand entgegen kommt, verschwindet sie im Gebüsch oder macht einen Bogen. Wenn wir anderen Hunden begegnen, muss ich immer sicherstellen, dass diese angeleint sind. Wenn sie bellen und Mocca Angst hat, nehmen wir einen anderen Weg. Oder ich nehme Mocca auf den Arm. Das funktioniert aber nicht immer. Mocca ist eine richtige Katze: Sie lässt sich nur hochheben oder streicheln, wenn sie es will.
Weil es weniger Verkehr hat und allgemein weniger los ist, kommt Mocca meistens nur spätabends mit, und nur wenn die Hunde dabei sind. Mit mir allein geht sie nicht spazieren. Sie ist eher auf die Hunde fixiert. Vielleicht weil sie mit einem Hund aufgewachsen ist, und die beiden oft allein zu Hause waren.
Das passiert meinen Tieren nicht. Ich arbeite 60 Prozent im Service, unten am See. In den Pausen kann ich meistens nach Hause. Und wenn das nicht möglich ist, geht meine Mutter mit den Hunden spazieren. Dann gehe ich noch putzen, da kann ich die Hunde mitnehmen. Und abends machen wir unsere ausgiebigen Spaziergänge.
Für Mocca sind die Spaziergänge immer sehr spektakulär; überall entdeckt sie interessante Dinge. Manchmal sehe ich Mocca nicht mehr und rufe nach ihr. Sie ruft dann zurück und kommt hergerannt: mit hocherhobenem, oben gebogenem Schwanz, wie bei einem Äffchen. Das sieht «uh herzig» aus.
Manchmal hat Mocca das Gefühl, sie könne jetzt hocken bleiben. Wenn wir dann zu weit weg sind, bekommt sie aber Schiss und kommt schnell «daherghöselet».
Wir müssen oft auf Mocca warten. Deshalb muss ich viel Zeit einberechnen, wenn sie dabei ist. Ich kann nicht sagen, wir gehen mal schnell eine halbe Stunde spazieren. Das funktioniert nicht. Wir sind nicht schnell. Aber wir kommen schon vorwärts. Einmal sind wir dem See entlang bis nach Rorschach gelaufen, das sind etwa vier Kilometer. Dafür haben wir eineinhalb Stunden gebraucht. Mocca läuft das locker. Sie mötzelt zwar viel; immer hat sie etwas zum Mauzen, und wenn wir stehen bleiben, kommt sie und erzählt und scharwenzelt den Hunden ums Maul.
Die Hunde beschützen Mocca. Am See unten leben viele Füchse. Einmal ist ein grosses Tier aus einem Busch gekommen. Ich habe Jamie, den Border Collie, geschickt, es zu verjagen. Aber ich glaube, es war kein Fuchs, sondern nur ein grosser Kater. Mocca ist ihm noch hinterher gegangen, um zu schauen, wo er ist. Ich habe gerufen, sie solle zurückkommen, das sei gefährlich. Mocca ist wirklich nicht gross, sie hat vielleicht 3,5 Kilo. Ich weiss nicht, was passieren würde, wenn tatsächlich mal ein Fuchs aus dem Gebüsch kommen würde.
Das Überqueren der Strassen ist jeweils der heikelste Teil unserer Spaziergänge. Wenn es einen in der Nähe hat, nehmen wir immer den Fussgängerstreifen. Ich habe eine gelbe Weste an und winke Autos durch, bis links und rechts wirklich nichts mehr kommt. Dann erst überqueren wir die Strasse. Mocca folgt gut. Aber sie ist auch schon auf dem Fussgängerstreifen stehen geblieben und hat sich hingehockt. Katzen machen Sachen!
Wir schauen immer alle aufeinander. Wenn wir gemeinsam aus dem Haus gehen, dann gehen wir auch gemeinsam wieder heim. Auf dem Heimweg läuft Mocca oft voraus.
Auf dem Vorplatz putzt sie sich ausgiebig. Erst dann kommt sie herein, legt sich zu mir und kuschelt sich unter die Decke, so dass manchmal nur noch ein Öhrli hervorlugt. Das sieht «uh herzig» aus. Wahrscheinlich träumt sie dann von weiteren Streifzügen.