Gruppengeruch: Was riecht wie ich selbst gehört zu mir

Elegant streicht Katze Rondra an einem Türpfosten entlang, bevor sie mir zur Begrüssung entgegenläuft und sich anschliessend an meine Beine lehnt. Der Schwanz umschliesst diese zärtlich; es handelt sich hierbei um eine Freundschaftsgeste, die ich im letzten Artikel beschrieben habe. Komme ich ihr mit der Hand entgegen, stösst sie ihr Köpfchen bereitwillig meiner hohlen Handfläche entgegen und wiederholt dieses Vorgehen mehrmals hintereinander.

Dass sie mich so freundlich begrüsst, schmeichelt mir, doch wozu zeigt sie dieses Verhalten auch an unbelebten Gegenständen? Tisch- und Stuhlbeine, CD-Ständer, Sofaecken und teils auch Wände werden von Rondra zeitweise genauso umschmeichelt wie meine Beine. Einige besonders beliebte Stellen sind aus diesem Grund schon ganz braun, der Talg aus dem Fell und den Hautdrüsen bleibt dort sichtbar kleben.

 

Was für uns ein Rätsel bleibt, ist für Katzen ganz selbstverständlich

Ihre Nasen sind supersensibel und ein nicht zu unterschätzender Anteil ihrer Verständigung mit Artgenossen läuft über den «Nasenfaktor» ab. Gerüche werden von Katzen ganz gezielt zur Verständigung eingesetzt. Beim Kratzen an diversen Materialien werden Duftstoffe über die Pfoten an den bearbeiteten Gegenständen hinterlassen. Mit Urin und Kot können konkrete Botschaften verbreitet werden, die wie ein «Schwarzes Brett» funktionieren.

So werden auch beim Entlangstreichen an Gegenständen und Sozialpartnern Duftmarken angebracht. In diesem Fall sind die speziellen Düfte in dem Talg enthalten, der von speziellen Drüsen am Kopf gebildet und beim Entlangstreifen auf die Flächen übertragen wird. Streicht der ganze Körper an dieser Stelle entlang, parfümiert sich die Katze sozusagen mit dieser gesetzten Duftmarke. Oft verteilt sie diesen Duft zusätzlich durch anschliessendes Putzen auf ihrem Körper. Überall dort, wo die Katze dieses Verhalten zeigt, riecht es anschliessend nach ihr – so auch der Mensch und andere Sozialpartner, die aus Katzensicht «zum Inventar» gehören.

Gerüche wirken sehr schnell und ohne bewusstes Nachdenken auf der emotionalen Ebene. So können fremde Gerüche eine unwillkürliche Stressreaktion auslösen. Gerüche, mit denen die Katze bereits sehr ungünstige Erfahrungen verknüpft hat, lösen vielleicht sogar Angst, Flucht oder Aggression aus, noch bevor das Büsi Zeit hat, sich die Ursache des Geruchs näher anzusehen.

Aus dieser Sicht macht es für die Katze absolut Sinn, alles was dazu gehört mit einem Geruch zu markieren, der ihr vertraut ist und das emotionale System nicht unnötig aktiviert. Neue Gerüche, die von vertrauten Menschen, Hunden oder Partnerkatzen mitgebracht werden, vermischen sich mit dem Geruch der markierenden Katze. Es entsteht ein Gruppengeruch, der als vertraut definiert ist und für keine weitere Aufregung sorgt.

 

Alltagsbeispiel

Als ich ein kleines, unspektakuläres Therapiegerät bei Rondra ausprobieren wollte, das gerade ganz frisch angekommen war, löste dessen offenbar sehr spezieller Geruch eine Stressreaktion aus. Rondra schnupperte, blinzelte mehrmals fest und entzog sich dann erst einmal. Kurze Zeit später konnte ich Rondra erneut überreden, sich den neuen Gegenstand anzusehen – nun war es nicht mehr so schlimm. Entschlossen streifte sie mit ihrem Kinn und den Wangen darüber und verteilte ihren Geruch darauf. Anschliessend durfte ich mit der Behandlung beginnen.

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geschrieben von:
Katrin Schuster

Katrin Schuster

Katrin Schuster ist eine erfahrene Tierverhaltenstherapeutin. Seit ihrem 13. Lebensjahr engagiert sich die heute 34-Jährige aktiv für einen «realistischen» Tierschutz. Ihre Methoden beruhen auf ganzheitlichen Ansätzen. Neben der gesundheitlichen Abklärung bei Verhaltensauffälligkeiten liegen ihr die tiergerechte Haltung sowie der respektvolle und faire Umgang zwischen Tier und Mensch am Herzen. Katrin Schuster arbeitet mit Tierpsychologen, Fachtierärzten und Tierheilpraktikern eng zusammen. www.tierberatung-bodensee.com

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