Der erste Freigang für langjährige Wohnungskatzen

Nach vielen Jahren in einer Stadtwohnung steht ein Umzug an. Nachdem sich die Situation etwas beruhigt hat, wird eines Tages die Tür zur Terrasse geöffnet und bleibt für das Büsi offen stehen. Erwartungsvoll stehen die Zweibeiner an der Tür und beobachten, was ihr Büsi nun wohl macht…

 

Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Stubentiger das «Aussen» nur durch Fensterglas kennengelernt oder es war ein Gitter als Begrenzung vorhanden. Die Reize von diesem Aussen waren immer schon toll zu beobachten und brachten Abwechslung. Einige waren auch Furcht einflössend oder aufregend, doch kamen sie ganz sicher nie herein. Die wenigen Reize von Aussen, die von Zweibeinern mal hereingebracht wurden, konnten in aller Ruhe begutachtet werden – schliesslich blieben sie an Ort und Stelle und waren gut fokussierbar. Der Drang, dieses Aussen näher zu erkunden, ist mit dem Älterwerden weniger geworden, die jugendliche Neugier und die damit verbundene Abenteuerlust geschwunden. Gewohnheit steht im Vordergrund.

 

Die nun plötzlich weit offen stehende Tür stellt einen drastischen Kontrast zum gewohnten Programm dar. Plötzlich ist das Aussen ganz nah und wirkt im ersten Moment vielleicht auch etwas bedrohlich. Kein Gitter, keine Wand, keine hohe Schwelle hindert nun die Reize daran, von aussen hereinzukommen. So manches Büsi versteckt sich angesichts dieser Veränderung erst mal hinter einem Pflanzenkübel oder sucht Schutz hinter einem Sofa. Andere messen diesem Umstand erst mal keine weitere Bedeutung zu, bleiben auf ihrem Ruheplatz liegen und gucken einfach hinaus, ohne Anstalten zu machen, die neu gewonnene Freiheit zu nutzen. Erst wenn die Tür häufiger und über längere Zeiträume offen steht, wird die Veränderung von einigen Gewohnheitstieren überhaupt erst richtig wahrgenommen und erkannt.

 

Traut sich der mutige Stubentiger doch mal heraus, so bleibt er nah an der Wand in der Nähe des bekannten Areals und Untergrunds. Der geduckte Gang und der aufgeregt hin und her zuckende Schwanz verraten die Anspannung, unter der sich das Büsi auf dem ersten Erkundungsgang befindet. Anders als in der Wohnung ist der Wind draussen ungebrochen, alles ist in Bewegung. Fremde Gerüche und Geräusche kommen von überall her, sind viel näher als bisher. Unter dem freien Himmel fühlt sich eine sonst so behütete Katze fast wie ausgeliefert. Von überall her können neue Reize auftauchen, nicht wie sonst immer nur von einer Seite, die gut einsehbar war.

 

Auch der Tastsinn wird ganz neu gefordert, wenn die Pfoten erstmals in ihrem Leben auf eine Wiesenfläche kommen. Einige langjährige Stubentiger meiden Wiesenflächen nach den ersten zaghaften Versuchen vorerst hartnäckig. Die empfindlichen Tastorgane sind schliesslich nie grossartig gefordert worden und mit dieser neuen Erfahrung erst mal überfordert. So geht es ja auch uns, wenn wir im Sommer mal wieder barfuss laufen wollen und jeder kleine Halm und Stein in die empfindlichen Fusssohlen sticht. Es braucht etwas Abhärtung und Gewöhnung, um lange Strecken barfuss über unebenes Gelände zu laufen.

 

Wenn der Film plötzlich zur Realität wird …

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen vor dem Fernseher und gucken Ihre Lieblingssendung. Fussballfans fiebern mit den Fussballspielern mit, andere hoffen beim Krimi, dass ihr Held nicht stirbt. Als Zuschauer sind wir immer gut darin, Ratschläge zu geben und uns über die Dummheit mancher Filmfiguren oder die Unfähigkeit der Protagonisten aufzuregen. So ähnlich verhält sich auch unsere Katze, die vor dem Fenster oder hinter dem Balkonnetz aufgeregt schnattert und miaut, wenn sie draussen andere Katzen oder Vögel beobachtet. (…)

 

Den vollständigen Beitrag können Sie in der Ausgabe 2/18 lesen.

geschrieben von:
Katrin Schuster

Katrin Schuster

Katrin Schuster ist eine erfahrene Tierverhaltenstherapeutin. Seit ihrem 13. Lebensjahr engagiert sich die heute 34-Jährige aktiv für einen «realistischen» Tierschutz. Ihre Methoden beruhen auf ganzheitlichen Ansätzen. Neben der gesundheitlichen Abklärung bei Verhaltensauffälligkeiten liegen ihr die tiergerechte Haltung sowie der respektvolle und faire Umgang zwischen Tier und Mensch am Herzen. Katrin Schuster arbeitet mit Tierpsychologen, Fachtierärzten und Tierheilpraktikern eng zusammen. www.tierberatung-bodensee.com

Ihre Meinung interessiert uns – Kommentar schreiben


Name (erforderlich)

Webseite