Im Wohnzimmer liegt eine zerzauste Vogelfeder. Auf der Suche nach dem dazugehörigen Mordopfer finde ich Zaza. Sie schläft auf dem Wäschehaufen eines ausgeräumten Schranks. Sie ist unschuldig. Ich habe den Schrank nicht zugemacht. Ich fahre Zaza über das Fell, was für sie die Aufforderung ist, mir in die Küche nachzulaufen. Stur stellt sie sich vor den Futternapf. Er ist leer – ich weiss. Ich bin ja erst aufgestanden. Es eilt mit dem Service, das weiss ich auch.
Zora, angelockt durch das Tellergeklapper, streckt den Kopf auf halber Treppenhöhe durchs Geländer. Von da hat sie eine wunderbare Übersicht, aus der sie ihre Erkenntnisse ableitet. Heute, entscheidet sie, lohnt sich der Abstieg.
Ich beeile mich, zwei Futterschalen herzurichten. Die eine ist noch nicht eingeweicht, das Abwaschen dauert. Zaza verfolgt jede Bewegung mit anklagendem Blick. Zora bleibt im Türrahmen stehen, damit sie nicht zu nah an Zaza herankommt. Ihre Augen versprühen smaragdgrünes Feuer. Zora ist eine schlechte Fresserin, und wenn sie Futter verlangt, dann kriegt sie es selbstverständlich subito. Ich stelle Zaza das Futter vor die Nase und lotse Zora ins Wohnzimmer, in ihre Fressschachtel hinein. Aber ausgerechnet heute hätte sie es lieber in der Küche, an Zazas Platz. Sie folgt mir zögernd, schnuppert am Napf und entscheidet: untauglich! Auch Zaza läuft weg. Sie zirpt: «Hatten wir diese Sorte nicht schon gestern? Du weisst doch, zweimal das Gleiche, nie!» – Na gut, dann eben nicht.
Ich stelle den Napf auf die Küchenkombination und bedecke ihn, damit das Futter nicht austrocknet. Ich verspreche mir, diesmal nicht nachzugeben, und setze mich mit einer Tasse Kaffee an den Tisch. Zora maunzt. Ich reagiere nicht. Sie wiederholt ihren Protest, aber diesmal in sattem Crescendo. Sie muss ungemein starke Lungen haben, um in so lang gezogenen Tönen miauen zu können. Ich stehe auf und hole ihr das tägliche Extra, ein Katzensnack-Würstchen. Sie lässt es sich brockenweise zuwerfen. Manchmal nimmt sie es auch aus der Hand, je nachdem wie Madame Katz grad bei Laune ist. «Fertig!», sage ich. Zora ist nicht einverstanden. Sie hat ein riesiges Repertoire an nervtötenden Katzenflüchen. Die reichen von gefährlich tief abgesenkten Tonfolgen bis hin zu unerträglichem Gekreische. «Muss ich noch handgreiflich werden, bis du es begreifst?», schreit sie. Also lasse ich den Kaffee stehen und folge ihr ins Wohnzimmer. Vielleicht muss sie ja hinaus. Beide Katzen lieben es nämlich, persönlich ins Freie gelassen zu werden. Trotz Katzentür. Die kann man dann immer noch benutzen, wenn es mit dem Service nicht klappt.
Zora möchte nicht hinaus. Sie will dringend gebürstet werden. Sie legt sich wohlig in die dafür vorgesehene Schachtel – ohne Schachteln geht bei uns gar nichts – und lässt sich ausgiebig bürsten. Das Schnurren ist ehrlich gemeinte Dankbarkeit. Zaza beobachtet uns und beginnt wütend die Krallen am Sofa zu schärfen. Ich springe auf. Damit hat sie ihr Ziel erreicht; ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich bürste sie auch. Damit ist sie grundsätzlich einverstanden. Aber sie zirpt: «Bürsten, hier? Was fällt dir ein!», springt auf und fordert von Zora den Platz in der Schachtel. Einen Moment lang stehen sich die beiden Auge in Auge gegenüber. Zora gibt nach.
Der Kaffee ist nun kalt geworden, und da ich kalten Kaffee nicht mag, mache ich mir einen neuen. Ich trinke rasch, denn für gewöhnlich habe ich noch nicht ausgedient. Ja, Zaza möchte nun auch ein Katzen-Würstchen. Sie stellt sich neben meinem Stuhl auf und bettelt mich mit ihrem Blick an. Mit ihren schwarz umrandeten Augen sieht sie unwiderstehlich aus. Ich hole das Würstchen, breche ein Stück ab und reiche es ihr. Sie nimmt es nicht an. Ich werfe es so, dass es am Boden aufhüpft. Das findet Zaza schon besser, es macht wenigstens Spass. Aber es scheint ihr nicht wirklich zu schmecken, denn sie gibt das Spiel schon nach zwei Würfen auf. Nun meckert sie nach Freigang und stellt sich an die Haustür. Ich öffne ihr, klar. Draussen ist es windig. Muss das sein? Nein! Oder vielleicht doch? Sie setzt sich zwischen Tür und Angel, den Kopf ins Freie gestreckt, der Rest der Katze sitzt an der Wärme. «Überleg’s dir halt», sage ich.
Auch Zora möchte nun ins Freie. Bei ihr geht das aber nicht so einfach. Sie möchte nicht zur Haustür sondern zur Terrassentür hinaus. Sie bittet mich mit einer langgezogenen, penetranten Tonfolge um diesen Dienst. Selbstverständlich weiss sie, dass ich ihr Gekeife nicht lange aushalte.
Also stehe ich auf, folge ihr und öffne die Tür. Aber Zora geht nicht direkt hinaus. Sie nimmt immer den Umweg hinter dem Klavier durch. Währenddessen hüte ich die offene Tür, da unweit ein fremder, unkastrierter Kater lauert und Einlass begehrt. Aber für Zora, dieses komplizierte Wesen, stehe ich zu nah an der Türe. Sie will nicht an mir vorbei ins Freie. Also fauche ich den fremden Kater kurzerhand selber an, wage den Schritt von der Tür weg, und wenn ich einen Glückstag habe, läuft Zora jetzt hinaus und der Unkastrierte bleibt erst noch draussen. Danach, ja danach gibt’s endlich heissen Kaffee.
Immerhin: Einen toten Vogel habe ich bis jetzt noch nicht gefunden, aber vielleicht steht mir das noch bevor.
Text und Fotos: KM-Leserin Marianne Kunz-Jäger
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