Mit Katzen klickern – Teil 1 Beobachten, Erkennen, Verstehen

Immer mehr Tiertrainer haben einen Knackfrosch in der einen und Leckerli in der anderen Hand, wenn sie mit Tieren arbeiten. Dieser Knackfrosch, auch Klicker genannt, sei das ultimative Werkzeug, um Tieren etwas beizubringen, könnte man meinen. In der Hundeerziehung gehört der Klicker schon fast zum Standard, bei Pferden findet er so langsam seine Berechtigung und hier und da hört man auch von Katzen, die «geklickert» werden.

Text: Katrin Schuster

Da stellt sich die Frage, was dieses Klickerding denn überhaupt bringen soll. Stellt man einer Katze diesen Knackfrosch erstmals vor, reicht die Reaktion von Neugier über vorsichtiges Misstrauen bis zur Angst vor dem lauten Knackgeräusch, das dieser von sich gibt. Wie das bei der Erziehung hilft, bleibt dann erst einmal fraglich.

Auch die Sache mit den Leckerli ist bei Katzen oft nicht so einfach wie bei Hunden und Pferden. Katzen sind doch deutlich häufiger heikel oder nur mässig interessiert an angebotenen Leckereien. Und ausserdem sind Katzen doch so eigenwillig, die lassen sich einfach nicht erziehen. Oder doch?

In den folgenden Abschnitten möchte ich zuallererst die Hintergründe des Lernens veranschaulichen. Später werde ich dann explizit auf das Klicker-Training zurückkommen.

Auch Katzen lernen

Entgegen der landläufigen Meinung man könne Katzen nichts beibringen, sind Stubentiger durchaus sehr lernfähig und beweisen dies auch im Alltag. Meist bleibt das von den zweibeinigen Mitbewohnern jedoch unbemerkt.

  • Rufen Sie sich doch einmal einige Szenarien aus Ihrem Katzenalltag ins Gedächtnis:
  • Wie erreicht Ihr Büsi, dass die Futterschüssel aufgefüllt wird, wenn der Hunger nagt?
  • Was macht Ihre Katze, wenn sie rein oder raus will, ohne den Luxus einer Katzenklappe nutzen zu können?
  • Wie schafft es Ihre Katze, dass sie Ihre Aufmerksamkeit erhält, wenn ihr gerade langweilig ist?

Die meisten Büsi haben schon ein beachtliches Repertoire entwickelt, um den Menschenfreund in gewünschter Weise zu animieren. Maunzen funktioniert in vielen Fällen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der anschliessende Blick zur Futterschüssel verrät den meisten Zweibeinern, dass das Büsi Hunger hat. Reicht das nicht aus, wird die Schüssel polternd herumgeschoben, bis der Mensch endlich reagiert. Geschlossene Türen sind kein Problem, wenn das «Personal» in der Nähe ist. Meist kommt es angelaufen, wenn an der Tür gekratzt wird. Einige Büsi können Türen auch selber aufmachen, wenn eine Türklinke vorhanden ist, oder eine Schiebetür durch geschicktes Fummeln aufschieben.

Dieses Verhalten ist nicht angeboren. Für eine selbstständige Versorgung mit Mäusen ohne Menschen in der Nähe wären diese Strategien wenig hilfreich. Die Maus kommt schliesslich nicht schneller aus dem Mauseloch, wenn sie angemaunzt wird.

Die Sache mit der Belohnung oder wie «Verhalten» entsteht.

Lernen findet nicht nur in den kurzen Einheiten statt, die wir für ein Training ansetzen. Gelernt wird schon im Mutterleib, in den ersten Wochen nach der Geburt, bei der Trennung von der Mutter und auch danach das ganze Leben lang bis ins hohe Alter. Das gilt für Katzen, Hunde, Pferde, Delfine, Menschen und viele andere Tiere. Sogar Fische können ihr Verhalten durch Lernen anpassen, wenn dies für sie von Vorteil ist. Und genau darum geht es, wenn aktiv gelernt wird. Das Verhalten wird einer Situation angepasst, um einen Vorteil zu erlangen.

Dieser Vorteil bliebe ohne Veränderung des Verhaltens unerreichbar. Man spricht hier auch von der instrumentellen oder operanten Konditionierung. Der Vorteil kann sein, dass lebensnotwendige Tätigkeiten ausgeführt werden können, wie zum Beispiel zu fressen oder sich zu lösen. Ein weiterer Vorteil ist, unangenehmen Erfahrungen ausweichen zu können. Zum Beispiel wird ein weicher Untergrund für den Urinabsatz gesucht, damit es nicht so spritzt. Auch andere nicht lebensnotwendige, aber als angenehm empfundene Reize können von Vorteil sein. Neugier befriedigen, Spielen und Schmusen sind zum Beispiel ebenfalls Vorteile, die eine Katze als erstrebenswert ansehen kann.

Ein Verhalten wird also immer dann verändert, wenn das Ziel nur durch eine Änderung des Verhaltens erreicht werden kann. Der kurze, aber bewältigbare Stress, den das zuerst unerreichbare Ziel darstellt, aktiviert das Lebewesen. Dieser «positive» Stress wird als Eu-Stress bezeichnet.

Ein Beispiel

Kater Boron hat Hunger. Er liegt gerade auf dem Sofa und die Futterschüssel steht auf einem Regal. Der Hunger aktiviert kurzfristig sein Stresssystem und sorgt dafür, dass der Kater aktiv wird, um etwas an dieser Situation zu verändern. Um den Hunger zu stillen, muss er aufstehen und auf das Regal springen, auf dem die Futterschüssel steht. In den meisten Fällen ist diese Handlung erfolgreich. Der Hunger wird gestillt und die Strategie, auf das Regal zu springen, wird auch beim nächsten Hunger wieder gezeigt.

Stellt sich heraus, dass diese Schüssel bereits leer ist, geht er auf die Suche nach weiteren Futterquellen. Boron weiss von einer weiteren Futterschüssel auf einem Kratzbaum und noch mehr sind in verschiedenen Zimmern auf Regalen zu finden. Der Kater sucht alle bekannten Futterstellen ab und wird früher oder später für seine Hartnäckigkeit belohnt. Eine der Schüsseln wird Futter enthalten und seinen nagenden Hunger stillen.

Lust und Frust – ohne Emotionen geht es nicht

Erreicht der Kater die Futterquelle, kann er seinen Hunger stillen. Aber nicht nur das belohnt sein Verhalten. Beim Erreichen eines Ziels, wie auch immer dieses aussah, werden Botenstoffe im Hirn ausgesandt, die für ein Glücksgefühl sorgen und damit das Wohlbefinden steigern. Dieses gute Gefühl zu spüren und zu erhalten, ist Motivator des Lernens und sorgt dafür, dass Lebewesen immer wieder aktiv nach Lösungen suchen, um ein Ziel zu erreichen.

Jede Anstrengung, die das angestrebte Ziel erkennbar näher kommen lässt, lohnt sich bereits. Eine «Vorfreude» entsteht, die durch den erkennbaren Fortschritt ausgelöst wird. Diese Vorfreude sorgt dafür, dass die gerade gewählte Strategie fortgeführt oder sogar intensiviert wird, bis das Lebewesen am Ziel angelangt ist. Im Fall von Borons Futtersuche könnte der Anblick der Futterschüssel so eine Vorfreude auslösen, noch bevor er weiss, ob darin wirklich Futter ist.

Bleibt das Ziel dagegen unerreichbar und bleiben alle Versuche ohne erkennbaren Fortschritt, erzeugt das Frust. Auch das ist eine Form von Stress. Ein einmaliger kurzer Frust, der entsteht, wenn eine sicher geglaubte Belohnung ausbleibt, kann aktivierend wirken. Die Bemühungen, die sich bisher gelohnt haben, werden weiter intensiviert.

Tritt Frust jedoch zu häufig auf oder wird er sehr intensiv empfunden, wirkt diese Emotion eher hemmend. Die Versuche, das Ziel zu erreichen, werden «frustriert» eingestellt. Dieser «negative» Stress, auch Di-Stress genannt, entsteht, wenn ein Problem nicht bewältigt werden kann. Wird eine Situation häufig als frustrierend empfunden, reduzieren die Betroffenen in diesem Zusammenhang ihr Verhaltensspektrum drastisch. Sie wirken ängstlich, depressiv oder bestenfalls einfach uninteressiert, wenn sie wieder mit dieser Situation konfrontiert werden.

Die emotionale Verknüpfung von beispielsweise Vorfreude oder Frust mit einer speziellen Situation oder einem Reiz läuft passiv ab und kann vom Tier nicht beeinflusst werden. Man spricht hierbei auch von klassischer Konditionierung.

Der Klicker, ein Indikator für «WARM» und «KALT»

Sicher kennen Sie das Spiel «Topfschlagen», ein beliebtes Spiel an Kindergeburtstagen. Ein Kind bekommt die Augen verbunden und einen Kochlöffel in die Hand. Die Aufgabe besteht darin, den Topf zu suchen, der auf dem Boden abgestellt wurde. Unter dem Topf ist eine Leckerei versteckt, die dem Spieler zusteht, wenn er den Topf findet. Die anderen Mitspieler lotsen das «blinde» Kind mit «WARM» oder «KALT», in die Richtung des Topfes. «WARM» bedeutet, dass das Ziel näher rückt und löst daher positive Emotionen wie die Vorfreude aus. «KALT» zeigt an, dass diese Richtung vom Ziel wegführt und wirkt hemmend auf das gezeigte Verhalten. Bei geschickter Anleitung findet das Kind den Topf recht bald und wird durch den prägnanten Klang des Kochlöffels auf dem Topf und der darunter liegenden Süssigkeit belohnt.

Beim Zusammenleben mit den Büsi geben wir diesen oft unbewusst solche «WARM»- und «KALT»-Signale, die den Samtpfoten ankündigen, ob ihre Strategie gerade zielführend ist oder nicht. Mit einer typischen Situation aus unserem Alltag möchte ich dies gerne veranschaulichen:

Rondra möchte nach draussen gelassen werden und geht, mit der Absicht rauszugehen, zur Terrassentür. Sie hat gelernt, dass ich ihr diese Tür öffnen kann, und sucht nun nach Strategien, mich dazu zu veranlassen.
Versuchsweise streicht sie an der Tür entlang und schafft es, mit ihrer Bewegung meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Man sieht direkt, wie in ihr ein Hoffnungsschimmer aufflammt, sie läuft näher zur Tür und maunzt erwartungsvoll. Allein der Blick zu ihr war also schon ein erstes «WARM»-Signal.

Leider sitze ich aber immer noch auf dem Sofa. Sie versucht es weiter und da die Strategie «Bewegung» ja nicht so verkehrt war, intensiviert sie ihre Bemühungen. Sie läuft weitere Bögen immer in meine Richtung und wieder zurück zur Tür.

Ich bemerke dies und spreche sie an, als sie in meine Richtung läuft. Ein weiteres «WARM»-Signal und wieder sieht man die Hoffnung ihn ihr aufsteigen. Sie maunzt und rennt ganz schnell zur Tür. Als ich endlich aufstehe, wächst die Vorfreude sichtlich und letztendlich mache ich ihr die Tür auf und sie hat ihr Ziel erreicht.
Wie viele andere Katzen auch hatte Rondra früher versucht, an der Tür zu kratzen, um rauszukommen. Hierfür gab es aber nie ein «WARM»-Signal. Diese Bemühungen wurden nie auch nur im Ansatz bestätigt, sind also immer «KALT» geblieben. Durch den Frust, der damit entstand, wurde dieses Verhalten nach einer kurzen Zeit vollständig eingestellt, zumal sie ja passendere Strategien fand, die sich als zielführender herausstellten.

Nach genau diesem Prinzip funktioniert das Klicker-Training. Statt der vielen ungenauen «WARM»-Signale, die ständig von uns ausgehen, wird mit dem Klicker eine klarere, immer gleichbleibende Rückmeldung gegeben, die zuverlässig eine bevorstehende Belohnung ankündigt.

Durch die klassische Konditionierung, also häufiges Aneinanderreihen des Klicksignals mit der anschliessenden Belohnung, löst dieses Signal nach einer Weile eine Vorfreude auf die angekündigte Belohnung aus.
Diese Form des Trainings erleichtert es den Tieren, eine passende Strategie zu finden, um das Ziel zu erreichen. Einfacher ist es auch für den Menschen, der damit viel gezielter den Ansatz einer gewünschten Verhaltensstrategie belohnen kann. Mit den ungenauen und vielfach auch in anderen Situationen vorkommenden Signalen wäre das nicht so leicht umzusetzen, wenn auch sicher nicht unmöglich.

Träumen Sie noch oder klickern Sie schon?

Wenn Sie genau darauf achten, werden Sie erkennen, dass Sie Ihre Katze durch solche unbewussten Signale und Handlungen schon ganz häufig «geklickert» haben, nur eben ohne Klicker.

Dabei ist es wichtig zu bedenken, dass die Ziele Ihrer Katze nicht immer mit Ihren Vorstellungen übereinstimmen müssen!

Futter zu erhalten, ist ein recht verbreitetes Ziel, das noch relativ einfach ist. Ein Ziel kann es auch sein, mit dem Wasserstrahl zu spielen oder sich streicheln zu lassen. Genauso ist es ein Ziel, ein gemütliches Plätzchen zum Schlafen zu finden.

Übrigens kann es auch ein Ziel sein, sich vor einer vermeintlichen Bedrohung in Sicherheit zu bringen. Auch dieses Ziel wird durch eine passende Verhaltensstrategie wie Flucht oder Verstecken belohnt.

Bekommt Ihre Katze vielleicht gerade eine ungeliebte medizinische Behandlung? Sicher hat sie auch hier bereits einige Strategien entwickelt, um diesen entgehen zu können. Der Hoffnungsschimmer, den sie jedes Mal erfährt, wenn sie es schafft, ihnen zu entkommen, hält die Strategie aufrecht und sorgt für die Intensivierung des Verhaltens.

Bevor ich Sie im nächsten Teil explizit in das Klicker-Training mit den Büsi einführe und anleite, möchte ich Sie daher anregen, in den nächsten Wochen Folgendes ganz bewusst zu beobachten:

  1. Versuchen Sie zu erkennen, was für Ihre Katze eine Belohnung darstellt.
  2. Welche Strategien hat sie entwickelt, um an diese Vorteile zu kommen?
  3. Wie tragen Ihr Verhalten oder auch Reize in der Umwelt dazu bei, dass die Strategien aufrechterhalten bleiben?
  4. Erkennen sie die «Klicks» oder «WARM»-Signale?

Wenn Sie einen geübten Blick entwickeln, wird Ihnen der Einstieg ins Klicker-Training deutlich leichter fallen. Sie werden erkennen, wie das bisher versteckte «Klicker-Training» eigentlich schon von Beginn an Ihr Zusammenleben mit dem Büsi beeinflusst hat. Klicker-Training ist keine Zauberei, sondern ganz normaler Alltag.

Im zweiten Teil dieser Artikelreihe erfahren Sie, wie genau das Klicker-Training funktioniert und welche Besonderheiten bei den Büsi zu erwarten sind. Auch möchte ich die Frage erläutern, warum es überhaupt Sinn ergibt, mit einer Katze zu trainieren. Was hat der Mensch davon und was bringt es dem Büsi. Hierzu gibt es eine erste einfache Einstiegsübung, bei der Sie das neu gewonnene Wissen mit Ihrem Stubentiger ausprobieren können.

Hier können Sie den Artikel aus dem Magazin als PDF ansehen

geschrieben von:
Katrin Schuster

Katrin Schuster

Katrin Schuster ist eine erfahrene Tierverhaltenstherapeutin. Seit ihrem 13. Lebensjahr engagiert sich die heute 34-Jährige aktiv für einen «realistischen» Tierschutz. Ihre Methoden beruhen auf ganzheitlichen Ansätzen. Neben der gesundheitlichen Abklärung bei Verhaltensauffälligkeiten liegen ihr die tiergerechte Haltung sowie der respektvolle und faire Umgang zwischen Tier und Mensch am Herzen. Katrin Schuster arbeitet mit Tierpsychologen, Fachtierärzten und Tierheilpraktikern eng zusammen. www.tierberatung-bodensee.com

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