Mit der Katze reisen? Ein Ding der Unmöglichkeit, heisst es oft. Aber es gibt sie doch, weltenbummelnde Katzen. Ti-Puss reiste mit der Schweizerin Ella Maillart durch Indien, und Willow durchmisst mit Richard East Australien. Es geht bei ihren Geschichten nicht nur um Reisen von einem Ort zum anderen, sondern auch um die Beziehung von Mensch und Katze.
Reisen, heisst es oft, ist nichts, was Katzen mögen. Es stimmt: Die Mehrheit der Katzen verlässt ihr Domizil ungern und wenn, dann eher unfreiwillig. Wenn man bei der Katze von «Haustier» spricht, dann im wahrsten Sinne des Wortes: Die Katze schloss sich dem Menschen nämlich erst an, als er das Nomadenleben aufgab und sesshaft wurde. Dennoch sollen manche Katzen ganz gern reisen, speziell wenn sie von klein auf daran gewöhnt sind und das Feriendomizil mit den Jahren bekannt ist. So schrieb schon der amerikanische Schriftsteller Raymond Chandler (1888–1959) über Kater Taki: «Wenn wir eine Reise machen, geht Taki immer mit und fühlt sich normalerweise wie zu Hause.»
Was jedoch, wenn die Auszeit vom Alltag gemeinsam mit der Katze nicht Tage oder Wochen, sondern Monate und Jahre dauert? Bei dem Australier Richard East dauert die Reise durch seinen Heimatkontinent schon dreieinhalb Jahre. Viele Jahre zuvor, nämlich in den 1940er-Jahren, durchmass die Schweizerin Ella Maillart Indien. Es sind Reisen in unterschiedlichen Epochen und auf verschiedenen Kontinenten. Und dennoch haben sie etwas ganz Wesentliches gemeinsam: vierbeinige Gefährten, die ihren Menschen die Welt bedeuten.
Eine Katze, «erzogen wie ein Hund»
Spirituelle Erleuchtung, Ausgeglichenheit und Gelassenheit: Danach strebt die Schweizer Reiseautorin und Fotografin Ella Maillart (1903–1997) in Indien, wo sie die Jahre des Zweiten Weltkriegs verbringt. Sie befreundet sich mit einer Katze, und durch sie findet sie schliesslich den tieferen Sinn des Daseins. Darüber berichtet sie in dem Buch Ti-Puss – Mit einer Katze allein durch Indien.
Doch von Anfang an: In einem Schrank im südindischen Tiruvannamalai gebiert eine Katze in den frühen 1940er-Jahren drei Junge. Im selben Ort gibt sich Ella Maillart den Lehren indischer Gurus hin – und fühlt sich einsam. Als die Mutterkatze wegen des heissen Wetters keine Milch mehr hat, übernimmt Ella die Fürsorge für das lebhafteste der Katzenkinder. Sie nennt das Kleine mit dem gepantherten Fell «P’tit Pussy», kurz Ti-Puss.
Die ersten Monate verbringen die beiden in der Stadt Tiruvannamalai und unternehmen lange Spaziergänge, die man so sonst nur von Mensch und Hund kennt. «Wenn ich mit Schreiben und Lesen fertig war, ging ich mit meiner Katze spazieren. Sie lief mir in kleinen Galoppsprüngen voraus und zirpte wie ein Vogel, wenn sie mich aus den Augen verlor.» Das verleitet eine Freundin von Ella, zu einem gemeinsamen Bekannten zu sagen: «Ellas Katze? Das ist gar keine Katze, sie ist ja erzogen wie ein Hund!»
Ti-Puss liebt die gemeinsamen Spaziergänge bald so sehr, dass Ella ohne Katze kaum mehr aus dem Haus kommt. «Ich musste heimlich fortschleichen, wenn ich zu dem weit entfernten Markt ging», schreibt sie. «Denn ihre vielen Seitenwege waren zu unberechenbar und zeitraubend. Doch mehr als einmal stellte ich fest, dass der kleine Schlingel mit aufgerichtetem Schwanz neben mir trabte.»
Von ihrem allerersten Ausflug mit Ti-Puss schreibt Ella Maillart: «An diesem Tag war der Weg, den ich so gut kannte, ganz anders; ich betrachtete ihn durch die staunenden Augen des Kätzchens, und mit seiner Hilfe sollte ich allmählich die Wohltat eines anderen Weltbildes erleben.» Diese Ausflüge sind auch die Vorbereitung für die gemeinsamen Reisen durch das Land, denn in den folgenden Jahren reist Ella Maillart mit Ti-Puss Tausende von Kilometern von der Südspitze des riesigen Landes über Raipur, Benares, Kalkutta bis an den Rand des Himalaya im Norden. Besuche bei weisen Hindumeistern, Teegesellschaften mit feinen Leuten, ein läuterndes Bad im Ganges: stets ist Ti-Puss dabei. In überfüllten Zügen rettet sie sich auf das Gepäcknetz, wo sie sich schlafend stellt; im vollen Autobus klettert sie über die Windschutzscheibe und steht wie eine Galionsfigur auf der Motorhaube, wo sie sich vom Fahrtwind das Fell zerzausen lässt. (…)
Den vollständigen Beitrag können Sie in der Ausgabe 5/18 lesen.