Kein Whisky ohne Katze

In schottischen Destillerien stehen Katzen den Brennmeistern seit alters bei der Herstellung von Whisky tatkräftig zur Seite. So auch in der Glenturret Distillery in Crieff. Katze «Towser» leistete ihren Beitrag zum Whisky noch in dem altehrwürdigsten aller Katzenberufe und schaffte es damit in das Guinness-Buch der Rekorde. Ihre Nachfolger «Glen» und «Turret» dürfen in Ausübung ihres Amtes hingegen ganz schön untätig sein.

 

Es ist ein Morgen an einem ausnehmend warmen Septembertag am Südrand der schottischen Highlands. Versteckt in einem engen, bewaldeten Flusstal glänzen weiss getünchte, eingeschossige Häuser mit schwarzen Dächern in der Sonne. Die Luft ist klar und riecht nach würzigen Gräsern und reichem Boden. Kaum steht das Auto im Parkfeld, nähert sich ein kleiner Tigerkater. Den Schwanz steil in die Höhe gereckt wie einen Fahnenmast, reibt der Vierbeiner Kopf und Flanke an den Menschenbeinen. Dann wirft er sich auf die Seite, rollt sich auf den Rücken und wälzt sich wohlig hin und her. Der Kater ist in bester Begrüssungslaune. Er heisst Turret und ist die eine Hälfte des Destilleriekatzen-Duos in der Crieffer Whiskybrennerei «Glenturret».

 

«Katzenberuf» mit Tradition

Auch die zweite Hälfte des Duos geht den Tag gemütlich an. Glen, Turrets fuchsfarbener Partner, liegt auf einem Holzstuhl im sogenannten «Still House» in tiefem Schlummer. Im Still House stehen die beiden Brennblasen (zu Englisch pot stills), die den Alkohol liefern, der später durch Reifung in Fässern zu Whisky wird. In einem sogenannten wash still und einem spirit still blubbert und dampft es. Wie jetzt, wenn Whisky produziert wird, ist es in dem Still House dreissig kuschelige Grad warm – und bekanntlich mögen Katzen Wärme.

Glen öffnet kurz ein Auge und rollt sich zu einem noch engeren Ball zusammen. Da man schlafende Katzen nicht stören soll, erfahren die Besucher von Brennmeister Ian Renwick als Erstes, wie schottischer Whisky, zu Gälisch uisge beatha (Lebenswasser), entsteht. Die Hauptzutaten sind seit Hunderten von Jahren dieselben: Wasser und Gerste. Von beidem hat Schottland im Überfluss: Bergquellen liefern klares Wasser, das durch Heide- und Grasland zu Tal fliesst. Und auf weiten Kornfeldern biegen sich, wie jetzt zur Erntezeit, mit Körnern reich gefüllten Ähren im Wind.

Die eigentliche Herstellung des Whiskys gestaltet sich vergleichsweise einfach. Man lässt befeuchtete Gerste keimen, bis aus der Stärke des Korns Malzzucker entsteht. (Herkömmlich wird sie hierfür auf Tennen, sogenannten malting floors, ausgebreitet.) Das entstandene Malz wird getrocknet und gemahlen. Mit heissem Wasser laugt man aus der gemälzten Gerste den Zucker aus und setzt das entstandene «Zuckerwasser» (im Fachjargon wort, also Würze) zum Gären an. Es entsteht eine Art Bier. Durch Destillation wird der Alkohol anschliessend vom Wasser getrennt. Et voilà: Fertig ist die Flüssigkeit, die während mindestens drei (oft zehn und mehr) Jahren in Fässern aus Eichenholz zu Whisky reift.

Steuerunterlagen (sogenannte exchequer rolls) in der Edinburgher Nationalbibliothek belegen übrigens, dass bereits 1494 ein gewisser Bruder John Cor aus der Lindores Abbey in der Grafschaft Fife acht Bollen Gerstenmalz erwarb, um «Lebenswasser» herzustellen. Dieses wurde später von den schottischen Clans der hohen Steuern wegen häufig illegal gebrannt. Wahrscheinlich ging auch in der Glenturret Distillery schon vor der offiziellen Gründung 1775 eine ungesetzliche Brenntätigkeit vor sich.

Man darf annehmen, dass die Tradition der Destilleriekatzen ebenso alt ist wie die Kunst des Whiskybrennens. Wahrscheinlich folgten sie ehedem ihrem Hunger in die grossen Getreidespeicher, wo Mäuseclans heimisch waren. Genügend Futter und strukturierte Tagesabläufe bewegten sie zum Bleiben. Auch heute noch geht es in der Glenturret Distillery laut Ian Renwick wohlgeordnet zu und her. «Tagsüber ist es betriebsam, am Abend und in der Nacht ist es auf dem Gelände sehr ruhig.»

Diese Regelmässigkeit wissen auch Glen und Turret zu schätzen. Fast scheint es, als schlüge Glens innere Uhr punktgenau an. Exakt um elf, als das Besucherzentrum öffnet, hopst der Kater vom Holzschemel. Mit noch etwas Schlaf in den Gliedern schlendert er zu der Katzenklappe, die in die dicke Mauer des Still House eingelassen ist. Augenblicke später beginnt der Freigang auf der Katzenleiter. Augen so grün wie das frische Quellwasser des angrenzenden River Turret schweifen über das Destillerieareal. Dann posiert Glen auf Whiskyfässern für Fotos. Willig räumt er wenig später auch seinem Partner Turret gleichberechtigte Zeit für Bilder ein. Wer Glück hat, erwischt ein Doppelporträt.

 

Weltrekord und Ende einer Ära

Glen und Turret traten vor rund eineinhalb Jahren in die mächtigen Pfotenstapfen von Katze Towser. Towser, eine langhaarige Schildpattkatze, hielt die Mäuse auf dem Gelände der Glenturret Distillery so erfolgreich in Schach, dass eines Tages ein Gutachter des Guinness-Buchs der Rekorde nach Crieff einbestellt wurde. Der beobachtete Towsers Fangquote einige Tage lang und erstellte eine Hochrechnung. Mit einer Fangquote von durchschnittlich drei Mäusen pro Tag (trotz Fütterung!) ergab das in 24 Lebensjahren die beachtliche Zahl von 28 899 Mäusen. Dieser Rekord ist bis heute ungebrochen. (…)

 

Lesen Sie den vollständigen Artikel in der Ausgabe 2/17.

 

geschrieben von:
Eveline Schneider-Kayasseh

Eveline Schneider-Kayasseh

Tiere bedeuteten Eveline Schneider Kayasseh schon in ihrer frühesten Kindheit enorm viel und gehören bis heute zu ihrem Alltag. Die studierte Juristin promovierte mit einer Dissertation zum Thema «Haftung bei Verletzung oder Tötung eines Tieres» und befasst sich neben ihrem Berufsleben in der Wissenschaft auch als freie Autorin vor allem mit den Themen Mensch-Tier-Beziehung, Tierrechte und Tierschutz aus einer schweizerischen und internationalen, historischen und aktuellen Perspektive.

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