Dumans Vorderpfoten liegen lässig über der Rückenlehne eines Stuhls. Mit seinen Augen verfolgt er den Mann hinter der Theke, während er mit seiner rechten Pfote immer wieder leicht an die Scheibe klopft. Es ist die Fensterscheibe eines Delikatessenladens. Auf seine «Bestellung» muss der weiss-grau gemusterte Kater mit der gefleckten Nase allerdings etwas warten. Zuerst werden die menschlichen Gäste am Nachbartisch bedient.
Katzen wie Duman gibt es viele in Istanbul. Duman ist nur eine der zigtausend Samtpfoten der Metropole. Schon lange sind sie zu einem charakteristischen Teil des Alltagslebens in Istanbul geworden. Viele von ihnen haben ebenso spannende wie rührende Geschichten zu erzählen.
Zum ersten Mal plaudert nun ein Film aus dem felinen Nähkästchen. «Kedi» (Türkisch für Katze) heisst die Dokumentation, die den Zuschauer in die Welt der Strassenkatzen Istanbuls führt. Der Film der türkischen Regisseurin Ceyda Torun hatte in Istanbul Premiere und läuft derzeit in unzähligen amerikanischen Kinos. 79 Minuten lang lässt der Film seine Zuschauer über sieben Geschichten ebensolcher Katzen wie Duman schmunzeln.
Unterstrichen von angenehm leichter Musik kann man Katzen dabei beobachten, wie sie sich in Schlafplätze kuscheln, von Aussichtspunkten grazil das Treiben beobachten oder auch Passanten um Fressen anbetteln. «Ohne die Katzen würde Istanbul einen Teil seiner Seele verlieren», sagt einer der Istanbuler im Film. Zu Recht: Ebenso wie Millionen von Einwohnern täglich durch Istanbuls Strassen ziehen, um ihrer Arbeit nachzugehen, folgen unzählige Strassenkatzen jeden Tag aufs Neue ihrem Trott.
«Die Katzen sind der Spiegel der dortigen Menschen»
Doch Kedi zeigt mehr als nur Wassernäpfe und Schüsseln mit Futter, die mittlerweile zum Stadtbild gehören. Kedi führt uns das Leben der sieben felinen Protagonisten vor Augen. Laut der in Los Angeles lebenden Ceyda Torun «sind die Katzen in Istanbul der Spiegel der dortigen Menschen, die ihnen erlauben, ihr Leben in einer aussergewöhnlichen Art und Weise zu reflektieren». Sie selbst hat die ersten Jahre ihrer Kindheit in Istanbul verbracht und Strassenkatzen lieben gelernt. «Beobachtet man das Leben der Katzen, dann sieht man, dass es mit all ihren Sorgen und Nöten gar nicht so anders ist als mit unseren», philosophiert Torun. So wie den Katzen würden auch uns und unseren Kindern Grünflächen fehlen. Instanbuls Katzen führten auf ihre eigene unabhängige Art ein Leben, das uns klar aufzeige, was für Menschen wir sind.
Die Idee zum Film schlummerte schon lange in Torun. Als sie das Projekt schliesslich zusammen mit Charlie Wuppermann anging, war die Resonanz unterschiedlich. «Unser Team war von den Katzen begeistert. Andere wiederum konnten den Sinn eines solchen Films nicht verstehen», erinnert sich Torun. Während das Team bei den Dreharbeiten von einigen Passanten verständnislose Blicke erntete, fanden andere das Projekt toll.
Das Drehen selber entpuppte sich als holprig. Bereits in der Vorbereitungszeit kamen Torun Bedenken. «Zu dem Zeitpunkt passierte viel in Istanbul. Es waren die Wochen von Gezi. Zudem füllten die ersten syrischen Flüchtlinge die Strassen der Stadt», erzählt Torun davon, wie plötzlich Zweifel aufkamen, ob in Anbetracht der Ereignisse ein Film über Katzen angebracht sei. Umso mehr hofft sie, dass der Film vermittelt, was sie während der Dreharbeiten gefühlt hat: «Mein Glaube an die Menschen ist gewachsen, nachdem ich zwei Monate lang jeden Tag das Glück hatte, mit Leuten Zeit zu verbringen, die voller Liebe und Zuneigung sind. Egal wie unterschiedlich unser persönlicher Hintergrund war, über Katzen und deren Stellenwert in unserem Leben waren wir einer Meinung.» Das habe ihr Zuversicht gegeben. (…)
Den vollständigen Beitrag können Sie in der Ausgabe 4/17 lesen.