Zehn Wochen alt ist Valeria, als sie auf der St. Gallerstrasse mitten in der Stadt Gossau von einem Auto erfasst wird und auf der Strasse liegen bleibt. Der Fahrer fährt unbeirrt weiter. Es ist ja bloss eine Katze. Es ist früh am Morgen, Berufsverkehr. Unzählige Autos fahren an Valeria vorbei, alle haben es eilig auf dem Weg zur Arbeit. Keiner hält an. Motorradfahrer, Fahrradfahrer und Fussgänger bemerken Valeria zwar. Aber keiner von ihnen schaut genauer hin. Es ist ja bloss eine Katze. Dann endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, während der ununterbrochen Autos nur wenige Zentimeter an Valerias Kopf vorbeidonnern, hält ein Mann an. In Anzug und Krawatte sichert er die Unfallstelle und schaut nach Valeria. Er stellt fest, dass sie noch lebt. Zwei Telefonanrufe später weiss er, welcher Tierarzt in der Nähe gerade Notfalldienst hat. Sorgfältig hebt er Valeria in sein Auto. Valeria schüttelt den Kopf. Blut spritzt auf sein weisses Hemd. Aber das ist egal. Eigentlich muss er an eine wichtige Sitzung, an die er nun zu spät kommen wird. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Denn für ihn ist Valeria nicht bloss eine Katze. Für ihn ist sie Leben, das leben will.
Jeden Tag verunglücken Menschen und Tiere auf den Strassen. Gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) kam es 2014 auf Schweizer Strassen zu insgesamt 17 803 Unfällen mit Personenschaden. Dabei wurden 243 Menschen getötet, 4043 schwer und 17 478 leicht verletzt. Während über Unfälle mit Menschen genau Buch geführt wird, gibt es kaum Zahlen von verunfallten Tieren. Diese werden um ein Vielfaches höher sein, und leider enden die meisten von ihnen tödlich. Nicht unbedingt weil der Unfall selbst zum sofortigen Tod des Opfers führt, sondern weil die Erste Hilfe ausbleibt oder Gesetze bestimmen, dass Unfallopfer getötet werden müssen, wie dies beispielsweise beim Wild der Fall ist. Unzählige Tiere werden einfach liegen gelassen, oft stunden-, manchmal tagelang. Der Unfallverursacher ergreift die Flucht und die Opfer sterben einen langsamen und qualvollen Tod. Viele von ihnen könnten gerettet werden, wenn der Verursacher oder eine Person, die das Opfer sieht, sofort handeln würde. Aber kaum jemand schaut hin. Es sind ja nur Tiere.
Natürlich ist nicht jeder in Erster Hilfe für Tiere ausgebildet und manch einer will im Schreckensmoment nicht falsch handeln. Falsch wie zum Beispiel ein Fahrlehrer, dessen Schüler den Kater Tigi angefahren hatte. Tigi blieb liegen, der Fahrlehrer stieg aus und schaute auf das zwar regungslose, aber lebende Tier. Er packte einen grossen Stein am Strassenrand mit der Absicht, Tigi «zu erlösen». Glücklicherweise griff ein junger Mann, der hinter dem Fahrlehrer hergefahren war, sofort ein. Die beiden Männer stritten kurz, denn der Fahrlehrer wollte nicht gelten lassen, dass Tigi sofort in eine Tierarztpraxis gebracht werden müsse. Er habe keine Zeit und sein Vorhaben sei «human», das Tier leide und hätte eh keine Chance. Doch der junge Mann liess sich nicht beirren, packte das Unfallopfer selbst ein und fuhr es zu einem Tierarzt.
Auch Kater Lupo wurde geborgen. Eine junge Frau sah ihn in der Dämmerung auf der Fahrbahn liegen und handelte schnell. Der nächste Tierarzt war nur zehn Minuten entfernt und noch in der Praxis. Lupo war sogar gechippt und die Halterin konnte sofort verständigt werden. Obschon die Haftpflichtversicherung des Verursachers in der Regel für die Tierarztkosten aufkommen würde, begehen leider unzählige Täter dennoch Fahrerflucht. Dieses feige Verhalten führt dazu, dass vielen Tieren nicht geholfen wird, weil auch nachfolgende Passanten oder Fahrer sich oft vor den Konsequenzen fürchten, die eine Rettung verursachen könnte. Viele gehen davon aus, dass sie die Kosten tragen müssten, wenn sie ein verletztes Tier zu einem Tierarzt brächten. (…)
Den vollständigen Beitrag können Sie im KM 3/16 lesen.