Eine Arbeitskollegin plant, im Sommer vom Land in die Stadt zu ziehen und hat auch schon eine Wohnung in Aussicht. Auf meine Frage, wie sie ihrer Katze Dela am neuen Ort, mitten in der Stadt im fünften Stock, Auslauf gewähren will, antwortete sie nur, dies sei dann halt nicht mehr möglich. Dela habe ja während fünf Jahren selber ein und aus gehen können – in Zukunft müsse sich das Tier mit der Wohnung begnügen. Sie ist der Meinung, dies mache der Katze nichts aus, sie könne genügend frische Luft auf dem Balkon geniessen. Die Vorstellung, eine an die Freiheit gewöhnte Katze in eine Wohnung zu sperren, gefällt mir gar nicht. Kann sich ein Tier, das während Jahren freien Auslauf hatte, so plötzlich auf ein Leben in vier Wänden einstellen? Und ist es nicht problematisch, dass Dela sehr oft alleine sein wird, da meine Kollegin Vollzeit arbeitet? Gibt es kein Gesetz, das eine solche Haltung verbietet?
Frau T. aus Lausanne
In der Schweiz leben rund 1.35 Millionen Katzen – viele davon mit Freilauf, nicht wenige aber auch ausschliesslich in der Wohnung. Weil bei der reinen Wohnungshaltung der Aktionsradius im Vergleich zum Leben im Freien massiv eingeschränkt ist, müssen gewisse Voraussetzungen unbedingt erfüllt sein, damit eine artgerechte Haltung in der Wohnung überhaupt möglich ist. Grundsätzlich gilt, dass Katzen nur dann ohne Freigang in der Wohnung gehalten werden sollten, wenn sie dies von klein auf gewohnt sind und die Aussenwelt gar nicht vermissen können. Ihre Kollegin sollte sich deshalb unbedingt eine andere Wohnung suchen, bei der Dela weiterhin nach draussen kann.
Die Wohnung katzengerecht einrichten
In freier Natur haben Katzen einen weitreichenden Lebensraum, der sich in eine Kernzone und ein Streifgebiet einteilen lässt. In der Kernzone schläft und frisst die Katze, pflegt ihre sozialen Kontakte und zieht die Jungen auf. Das Streifgebiet dient der Jagd und dem Erkunden der Umgebung. Damit eine im Ansatz ähnliche Lebensweise auch ohne Freilauf möglich ist, gelten zwei Zimmer als absolutes Minimum für die Wohnungshaltung von Katzen. Für jedes weitere Tier sollte mit mindestens einem zusätzlichen Zimmer gerechnet werden. Alle Räume – also beispielsweise auch Küche und Bad – müssen stets zugänglich sein, damit die Tiere mehr Abwechslung haben.
Neben der Grösse ist die Einrichtung der Wohnung von entscheidender Bedeutung. Den Katzen muss ein artgerechter Ersatz für die Bedingungen in freier Natur geboten werden. Die in der Tierschutzverordnung enthaltenen Anforderungen an ein Katzengehege sind analog auf die Wohnung anzuwenden. Somit gehören zu einer katzengerechten Wohnungseinrichtung etwa spezielle Kratzgelegenheiten, Versteck- und Rückzugsmöglichkeiten sowie erhöhte Sitz- und Liegeflächen, auf denen sich das Tier einen Überblick über seinen Lebensraum verschaffen kann. Weil Katzen es lieben, sich an der Sonne zu wärmen, sind Standorte am Fenster oder auf dem (gesicherten) Balkon optimal. Der Futterplatz und mindestens ein Katzenkistchen pro Tier sind ausserdem auf verschiedene Zimmer zu verteilen. Zudem muss Wohnungskatzen immer genug Wasser zur Verfügung stehen.
Der Jagdtrieb ist Katzen angeboren und bleibt oft bis ins hohe Alter erhalten. Weil in der Wohnung die natürliche Jagd nicht ausgeübt werden kann, bedarf es geeigneter Beschäftigungsmöglichkeiten. Katzen jagen grundsätzlich alles, was sich bewegt und ihre Körpergrösse nicht überschreitet. Mit geeigneten Spielsachen wie Fellmäusen, Bällen oder Federwedeln kann der natürliche Reiz befriedigt werden. Hierfür muss sich der Tierhalter regelmässig und ausreichend Zeit nehmen.
Sozialkontakt
Unter den Katzen gibt es sowohl soziale Tiere wie auch Einzelgänger. Ob ein Tier gegenüber Menschen und Artgenossen zutraulich wird, hängt in erster Linie mit seinen Erfahrungen als Welpe ab. Kätzchen, die in der zweiten bis siebten Lebenswoche mit Geschwistern aufwachsen und viel Kontakt zu Menschen haben, entwickeln sich in der Regel zu sozialen Tieren. Machen die Welpen in dieser sensiblen Phase jedoch keine oder schlechte Erfahrungen mit anderen Tieren oder Menschen, werden sie zum Einzelgänger und bleiben scheu. Das Tierschutzrecht schreibt vor, dass sozial lebende Tiere zwingend Kontakt zu Artgenossen haben müssen. Beim Hund und bei der Katze darf der Mensch den Sozialpartner ersetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass das Tier auch tatsächlich in der Familie integriert ist und Umgang mit dem Menschen hat. Für einzeln gehaltene Katzen schreibt die Tierschutzverordnung demnach tägliche Gesellschaft mit Menschen oder Sichtkontakt mit Artgenossen vor. Voll berufstätigen Personen wie Ihrer Kollegin ist daher zumindest von der Haltung einer Einzelkatze abzuraten. Bei der Wohnungshaltung ist allgemein zu empfehlen, Katzen mindestens zu zweit zu halten. Hierbei muss natürlich darauf geachtet werden, dass es Tiere sind, die sich verstehen.
Gefahren lauern überall in der Wohnung
Waschmaschinen, Kochherde oder elektrische Geräte und Kabel sind nur einige Beispiele von Gefahrenquellen, die für Katzen tödliche Folgen haben können. Der Kontakt mit Gegenständen, die mit Haushaltsreinigern oder Desinfektionsmitteln gesäubert wurden, kann Allergien oder Vergiftungen auslösen. Frisch gereinigte Böden und Möbel sollten daher mit klarem Wasser nachgespült werden. Produkte wie Alkohol, Duftöle, Kaffeesatz oder Zigaretten (beziehungsweise die beim Rauchen übrig bleibenden Filter) sind für Tiere unverträglich und daher von ihnen fernzuhalten. Zudem führen vor allem auch zahlreiche Zimmerpflanzen bei Heimtieren zu Vergiftungen. Weiss ein Halter um die Giftigkeit von Pflanzen oder herumliegenden Gegenständen für seine Tiere und trifft er dennoch nicht die nötigen Vorsichtsmassnahmen, macht er sich unter Umständen einer Tierquälerei schuldig, was ein Strafverfahren zur Folge hätte.
Um Haushaltsunfälle mit Heimtieren zu vermeiden, sollte man zudem beispielsweise Fenster nicht schräg stellen, weil die Katze stecken bleiben und sich erhebliche, im Extremfall sogar tödliche Verletzungen zuziehen könnte. Der Toilettendeckel ist stets zu schliessen und vor dem Starten der Waschmaschine muss deren Inhalt überprüft werden. Gefahrenherde sind auch Putz- und Medikamentenschränke. Balkone können mit Teppichen oder Katzennetzen bespannt werden, um Stürze zu vermeiden.
Alexandra Spring, Stiftung für das Tier im Recht (TIR)